Bye bye Brudi 😢
Ein Nachruf auf meinen besten Freund
Wie schreibt man einen Nachruf auf seinen besten Freund, der einen seit 30 Jahren begleitet hat? Und der ihm auch noch gerecht wird?
Seit 2-3 Wochen versuche ich mich aufzuraffen, in die Tasten zu hauen und die Hymne auf Bo zu schreiben, die er verdient hätte.
Mein in Worte getipptes Paradise City.
Leider bin ich kein Slash, doch das hat uns auch noch nie aufgehalten oder?!
Jeder, der Bo kannte, hat seine eigene Geschichte mit ihm. Und nun versuche ich mal mein Bestes, unsere Story zu erzählen
Was ist denn das für 'n Typ?
Dachte ich jedenfalls, als ich ihn das erste Mal mit 13 sah und er mir in so ner Rockkneipe mit seiner Sodom-Kutte gegenüber stand. Und er wahrscheinlich auch dasselbe über mich.
Komische Frisur, Green Day Shirt oder Nofx-Longsleeve. Typischer Teenie-Vogel.
Ich hatte gerade mehr schlecht als recht in der Nachmittags-AG der Schule die Gitarrenbasics gelernt und musste natürlich so schnell es geht, eine Band gründen. Da Schlagzeuger immer rar gesät sind, wurden die Fühler sogar in die verhasste Nachbarschule gestreckt. Und da trieb sich Bo rum.
„Boris? Wer ist das?…
Egal, der hat ne Double-Bass Fußmaschine!
Alles klar, nehmen wir.“.
Früher war alles irgendwie einfacher.
Und so waren wir, vier Außenseiter, die eigentlich nie so richtig Anschluss in der „Jugendszene“ der Stadt gefunden hatten, fortan eine Band. Unser kleiner Kosmos.
Relativ schnell rückte alles Andere in den Hintergrund. Direkt nach der Schule ab in den Proberaum bis Abends, versuchen Songs zu spielen oder auch welche zu schreiben und träumen irgendwann Rockstars, wie unsere Idole, zu werden. In irgendwelchen Jugendzentren erste Konzerte zu spielen. Mehr schlecht als recht, aber für uns verdammt cool. Wir hörten alles von Metallica, über Nirvana zu Guns n Roses, trugen Parka statt Starter-Jacke und machten unser Ding.
So verging die Zeit und wir wurden unbewusst best Buddys, fuhren mit der Bahn in die Army-Kaserne nebenan Root-Beer trinken, im Müller nach CDs stöbern oder einfach im Einkaufszentrum abhängen. Und am Wochenende ging’s ins Cafe-Central Weinheim, Bands aus der Region anhören oder bei Newcomer-Wettbewerben zuschauen und davon zu träumen auch mal dort zu spielen. Und wenn es das Schicksal gut mit uns meint, irgendwann mal, wenn wir „es gepackt haben“, im Schwimmbad Club Heidelberg zu spielen, wo auch schon Nirvana und andere Heroes gezockt haben. Die große weite Welt für Teenager.
Kurz bevor die 2000er Jahre eingeläutet haben, mit 15-17 Jahren, hatten wir ne tolle Zeit in unserer Bubble. Alternative Rock spielen, dabei im Proberaum ne Tüte rauchen, über die Welt philosophieren, Parties mit Gleichgesinnten feiern und nicht an morgen denken. Musikalisch wirklich etwas gerissen haben wir aber nicht. Mit 17/18 kam dann auch irgendwann langsam die Realität näher. Grunge war irgendwie auch lange durch und in uns regte sich immer mehr das Gefühl von
„Das kann es jetzt doch aber noch nicht gewesen sein“
in uns.
Spoiler: Das hielt bis vor Kurzem immer noch so an.
Korn, Deftones, Slipknot, Limp Bizkit traten auf die musikalische Leinwand. Das war dann die Initialzündung für unsere erste richtige Band – VP-1.
So geht das also
Uns hat es schon länger in die härtere Richtung getrieben. Irgendwie die 90er abschütteln, Baggy Pants, Hundekette und Piercings anlegen und nach Vorne. Für Hardcore waren wir natürlich nie true genug, war uns auch immer etwas zu eindimensional. Thrash Metal haben irgendwie immer die Älteren gemacht. Gut genug wären wir eh nicht dafür gewesen. Das ganze NuMetal Ding kam uns gerade richtig. Irgendwie was Eigenes. Dazu ging mit dem Indie Freitag im Loft Ludwigshafen eine komplett neue Welt für uns auf und wurde jedes Wochenende unser neues „Wohnzimmer“. Gute Musik, cooler Schuppen & n guter Vibe. Durch Zufall sind wir dann an Tobi (der immer noch ne Macht am Mic ist) und Matze gekommen und haben gemeinsam mit Lars am Bass (später Rob) VP-1 gegründet. Saudummer Name, weil wir dachten das wäre die Abkürzung für ne Gras-Sorte (war es nicht) und besonders cool. Dummerweise sind wir auch gleich noch beim Newcomer-Contest weitergekommen und mussten den Namen fortan benutzen. Passiert den Besten.
Nun haben wir gefühlt jeden Tag aufeinander gesessen, in bester DIY-Manier Flyer gebastelt und zurechtgeschnitten, auf Partys verteilt, die Anfänge des Internets genutzt und uns immer mehr einen Namen in der Region erspielt. Und das hat süchtig gemacht, da es auf einmal merkwürdigerweise einfach funktioniert hat, wie wir es uns immer erträumt haben. Hier hat sich auch herauskristallisiert, dass wir uns beide sehr gut ergänzen. Bo hat immer den großen Plan vor Augen gehabt, konnte gut connecten und die Band managen. Mir kam meine kreative Ader zugute und ich hab mich um alles Grafische gekümmert. Ich bin der Hitzkopf, der immer aus dem Bauch heraus entscheidet – Bo der Besonnene, der gerne mal ne Nacht drüber pennt. Und so Teams, siehe Hetfield/Ulrich oder Jagger/Richards, funktionieren meistens super.
Bis es mal so richtig knallt. Auch hier. Der Hitzkopp, der nicht mit dem Manager klarkommt. Wir haben soviel, für uns, Highlights gerissen (u.a. als Support der Emil Bulls, 4Lyn, usw. gezockt. In der Alten Feuerwache, dem Capitol Mannheim und coole Festivals gespielt), dass man sich irgendwann daran gewöhnt und es für völlig normal ansieht, was man da hat und anfängt, Dinge zu hinterfragen, die man nicht hinterfragen muss. Das Ende vom Lied war, dass wir ca. 3 Jahre kein Wort mehr miteinander geredet haben. Ich war viel zu stolz zuzugeben, dass ich ein Idiot war und hab jedes Mal gelitten wie ein Hund, wenn ich etwas von der Band mitbekommen habe. Zum Glück gab es noch kein Facebook, wo man das dauernd auf die Nase gebunden bekommen hat.
Man merkt leider immer erst was man hat, wenn man es nicht mehr hat. Dumme Kalendersprüche, die sich leider doch immer irgendwie bewahrheiten.
Nach dunklen 3-4 Jahren haben wir uns dann doch wieder irgendwie zusammengerauft und über Freunde dem anderen signalisiert, dass man es sich doch wieder vorstellen könnte, zusammen zu zocken.
Der arme Körk, der meinen Platz bei VP-1 währenddessen übernommen hat, wurde gegangen und ich hab bei den Jungs, mit denen ich währenddessen gezockt habe, einen „polnischen Abgang“ gemacht.
Alles irgendwie nicht cool und hat auch zurecht verbrannte Erde hinterlassen. Da aber, Kalenderspruch incoming, im Krieg und der Liebe alles erlaubt ist, war uns das in diesem Moment egal. Ich hoffe, uns hasst niemand mehr nach dieser langen Zeit. :*
So hatten wir nochmal drei hammer Jahre. Musik machen mit seinen besten Kumpels und in der Weltgeschichte rumzufahren, ist schwer zu toppen.
Gegen Ende hatte wir im Rahmen der Popakademie Mannheim das Glück, einen Slot im Bandpool zu ergattern (u.a. mit Frida Gold), in dem wir fortan die andere Seite des „Musik machen“ gezeigt bekommen haben. Interviews geben, Steuererklärung machen, Social Media machen… Da verliert man entweder die Lust oder man leckt Blut. Bo und ich haben Blut geleckt. Der Rest nicht so. Und so kam es, dass wir uns 2009, nach 10 Jahren, aufgelöst haben. Im Guten.
Parallel ist in Bo aber schon seit einem Jahr der Wunsch gegärt, eine 80s-Metal Band hochzuziehen. Hatte ich, obwohl ich ein 80s Kid bin, gar kein Bock drauf. Fand ich irgendwie affig & als Guitar Hero taug’ ich auch nicht. Auf der anderen Seite hat er immer schon Weitsicht bewiesen und ich hätte die Möglichkeit, mich völlig kreativ auszuleben und
„mal alles richtig zu machen“.
Alla hopp.
Aller Anfang ist schwer
Im Nachhinein lacht man drüber, da wir ja irgendwie die Kurve bekommen haben, aber leicht war der Anfang mit den Supernova Plasmajets nicht.
Unser alter Weggefährte Martin, der uns ein wenig unter die Arme gegriffen hatte, da er Potential in uns sah, gab uns am Anfang mit, dass die Leute Konzerte wie ein Kino- oder Theaterbesuch erleben sollen. In eine andere Welt eintauchen, weg vom Alltag. Da hat keiner Bock 5 Jungs in Straßenklamotten zu sehen (jedenfalls nicht bei dieser Musikrichtung). Das hat bei uns beiden dermaßen Klick gemacht, dass wir uns fortan Alter Egos erschaffen haben, versucht ein Bühnenoutfit zu finden (richtiger Struggle) und alles irgendwie auf die Spitze zu treiben, anzuecken. Normal gibt es schon genug.
Wir starteten auf Deutsch mit Till als Sänger, der heute erfolgreich bei Saltatio Mortis Gitarre spielt. Wir hielten das für interessant, aber im Nachhinein war es dann doch eine Spur zu klamaukig und nicht das Wahre. Und spaßig ist es auch nicht immer, mit Schminke und Pink/Blau in irgend nem JUZ Katzenklapprich als Schwuchtel beschimpft zu werden.
„Müsst ihr denn in so kleinen Locations auch das volle Programm mit Outfit und Schminken auffahren?! Das ist doch nur ein JUZ“
waren auch so Klassiker, die immer kamen. KISS haben auch erst ab Arenagröße mit Schminke angefangen. Nicht.
Aber wir wollten es ja so. Und gerade im Vollgas-Modus hat Till die Bremse getreten und gesagt, dass er aussteigt um bei Saltatio einzusteigen. Absolut richtige Entscheidung, aber für uns ein richtiger Abtörner. Sowas bricht einer Band in der Regel das Genick. Nach diesem Einschnitt und etlichen „Auditions“ sind wir durch glücklichen Zufall an Nassi geraten, was noch einmal ein riesen Qualitätssprung nach Vorne war und haben erneut das Gaspedal durchgetreten. Der Rest ist History, wie man hier so sagt und daran hat Bo einen Löwenanteil zu beigetragen.
Er hat sich dermaßen in Booking und Management reingehängt und weiterentwickelt, dass er uns u.a. zu Gigs mit Eskimo Callboy, JBO und auf Touren mit The New Roses, Kissin’ Dynamite und Reckless Love gebracht hat. Wir durften auf den fettesten Festivals wie dem Summer Breeze, Wacken, Metal Hammer Paradise oder Rock of Ages spielen und hatten, trotz all der Arbeit und Entbehrungen, eine Hammer-Zeit. Das hätten wir uns als 13 Jährige Kids niemals erträumt. Und das nimmt uns auch nie mehr jemand.
Nach Regen folgt immer Sonnenschein, sagt man…
Hier ist es leider umgekehrt.
Mitten im Songwriting zu unserem zweiten Album und den Anfängen von Corona, bekam Bo eine Diagnose, die uns allen den Boden unter den Füßen wegriss. Krebs, der schon gestreut hatte.
„Das haben doch immer die Anderen oder alte Leute“
sagte ich mir, im naiven Denken, daran irgendwas rütteln zu können. Hallo Realität. Mal wieder.
Während ich im Elend alles schwarz sah, sagte er sich, der gerade Vater geworden war,
„Jetzt erst recht! Ich pack das irgendwie.“
Und das zeigt, was der ruhige Kerl, der nie laut wurde, immer versucht hat, dass sich andere wohl fühlen, für ein tougher MoFu war. Jetzt versteht ihr auch, warum das Album „Now or Never“ heißt und ne ganze Spur düsterer und ernster als sein Vorgänger ist.
Wir haben, als die Welt im Lockdown war, die Bremse reingehauen und nochmal alle Songs auf den Prüfstand gepackt. Die Keyboards ausgepackt und so Dinger wie „Lonely Hearts in the Night“ rausgehauen, um die Schwere und das Elend zu kanalisieren und um das irgendwie verarbeiten zu können. Und so sind wir in den letzten Jahren nochmal extrem zusammengewachsen, dass er für mich zu einem Bruder wurde, den ich nie hatte. Und wenn ich jetzt mit feuchten Augen hier im Mancave diese Zeilen tippe, spür ich ihn hinter mir, wie er mit ner Tüte Katjes und der SV Waldhof-Cap aufm Kopp im Kinostuhl sitzt und lacht. So wie wir hier immer an Bandkram bastelten, neue Songs schrieben oder einfach nur über He-Man & the Masters of the Universe philosophierten. Das ist hart und fühlt sich alles furchtbar einsam an. Ich hatte immer gehofft, dass dieser Tag niemals kommen wird.
In diesem Zug kann man, oder besser sollte man auch mal erzählen, was er die letzten Jahre auf sich genommen hatte, damit man als Außenstehender die Dimensionen versteht.
Schlachthof Wiesbaden, als Kissin’ Dynamite Support. Bucketlist-Konzert für uns. Diesen Gig hat er unter richtig harten Schmerzmitteln gespielt, weil er das wollte und uns auch nicht hängen lassen wollte. War ja wichtig.
Oder stundenlang im ungemütlichen Sprinter durch die Republik fahren oder eine Ochsentour durch Europa als Support von Reckless Love. Und alles so geplant, damit er zwischen Gigs alle 2 Wochen in Chemotherapie gehen kann, die auch nicht gerade ein Zuckerschlecken war.
Oder direkt aus dem Krankenhaus raus in den Bus und ab nach Saarbrücken, Steel Panther zu supporten. Und das war nur ein Bruchteil an Stories, die das Ausmaß zeigen. Wer nimmt sowas bitte auf sich und versucht noch, sich dabei nix anmerken zu lassen?! Krasser Typ.
Adieu...
Mehr pack ich nicht, in Worte zu fassen, wie sehr er mir fehlt. Selbst dieser Roman wird ihm lange nicht gerecht um ein Bild zu malen, was für ein super Typ er war, Bombenfreund, mit einem 1A Charakter und dem Herz am rechten Fleck. Immer ein offenes Ohr und ’n guten Rat, wenn man ihn gebraucht hat. Solche Menschen findet man nicht oft im Leben. Umso schwerer isses, wenn sie gehen.
Ich könnte etliche Anekdoten schreiben, wie wir als Kids in der Sneak Preview beschissene Filme geschaut haben und dabei n Dr. Pepper getrunken haben oder jedes Jahr pünktlich am 24.12. im Einkaufszentrum gefrühstückt haben und uns über die armen Teufel amüsiert haben, die in Hektik das letzte Geschenk gesucht haben. In der Pinte den einen Melonenschnaps zu viel getrunken zu haben. Wie wir von Buben zu Männern alten Buben wurden und eigene Kinder in die Welt gesetzt haben.
Immer versucht haben, ne gute Zeit zu haben. Das Credo „Einfach kein Arschloch sein“ auf unsere Fahne schrieben. Oder uns einfach, auf feinstem, niederen Niveau totzulachen. Auf’m Waldhof ne Stadionwurst zu futtern, n kaltes Eichbaum zu köpfen und einfach n bissl „Gib ab!“ zu kreischen. Das wird mir tierisch fehlen.
Ein Trost für mich ist, dass wir die letzten Jahre so gut es geht genutzt haben, viel Zeit miteinander verbracht haben und das Beste daraus gemacht haben. Trotzdem hatte wir noch so viel vor. Sei es privat oder mit den Plasmajets. Dass es dann so schnell ging, hat keiner kommen sehen. Er auch nicht.
Da nicht jeder das Glück hatte, ihn kennenzulernen, schaut Euch doch unsere Story in seinen eigenen Worten an. Ihr werdet sehen, das konnte er super und ich bin mir sicher, ihr hättet Euch wirklich blendend mit ihm verstanden.
Wie geht's jetzt hier weiter?
Gute Frage, nächste Frage.
Wir wissen es ehrlich gesagt auch noch nicht, da es einfach noch alles zu frisch ist, eine Entscheidung zu fällen. Wenn Ihr bis hierher gelesen habt, könnt Ihr Euch sicher vorstellen, wie schwierig, eigentlich unmöglich es ist, in die Fußstapfen von Bo zu treten.
Gebt uns Zeit, wir halten Euch auf dem Laufenden. ❤️
Denkt mal an ihn, wenn ihr ein Bierchen zischt und ne gute Zeit habt. Das hätte ihm gefallen.
In Liebe, Markus.
P.S.: Und an die 2-3 Kollegen, die mit seiner ehrlichen Art nicht umgehen konnten und ein schlechtes Wort über ihn haben fallen lassen: Fuck You!
Er hätte jetzt nervös die Hände gerieben, wie immer, wenn ich wieder mal Elefant im Porzellanladen war und gesagt:
„Schreibs nicht. Bringt doch eh nix.“.
Tut aber gut…
Wundervoll geschrieben. R.I.P. lieber Bo …
Treffender kann man nicht über einen verlorenen Kumpel schreiben. Schade, dass Bo seinen Kampf verloren hat. Vergessen werden wir ihn nie. Die Zusammenarbeit mit ihm beim Kiss-Konzert im Familien Sportpark war toll. Es bleibt wie immer eine Lücke wenn jemand geht. Im Falle von Bo ist diese so groß, die kann man nicht mehr schließen.
Ich durfte euch das letzte mal beim Wacken sehen. Das war der Hammer. Es tut mir sehr leid das dein Freund gehen musste, dein Nachruf auf ihn ist unfassbar.. er wird immer bei dir sein…